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Wie wir unsere Faszien gesund halten

  • Autorenbild: Josephin Winter
    Josephin Winter
  • 30. März 2022
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 30. März 2022

Die Funktion von Faszien im Körper und wie wir sie optimal trainieren


Faszien wurden eine lange Zeit als “Aschenputtel der Orthopädie” (Robert Schleip) betrachtet. Obwohl sie der Wissenschaft schon seit etwa 1900 bekannt sind, wurde ihnen kaum eine Bedeutung zugemessen und sie galten als reines Stützgewebe des Körpers. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Wert der Faszien für die Gesundheit und deren wichtigen und zahlreichen Funktionen im Körper erkannt. Welche das genau sind, wie Faszientraining auch ohne die typische Faszienrolle durchgeführt werden kann und wann es besonders sinnvoll ist, lesen Sie hier.

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Was sind Faszien?

Die Faszien sind ein dreidimensionales, zusammenhängendes Spannungsnetzwerk, das gesamten Körper durchzieht und ihn im Innersten zusammenhält. So hüllen sie z. B. alle Organe, Nerven oder Muskeln, aber auch jedes Muskelfaserbündel sowie jede Muskelfaser ein. Je nach Ort,


Das 0,3 bis 3 mm dicke Bindegewebe besteht aus Fasern, Zellen, Proteinen und Wasser, wovon ein Großteil Kollagen- und Elastinfasern sind. Sie haben somit eine sehr hohe Dehnbarkeit. Durch ständige Auf- und Abbbauprozesse im Körper werden die Bestandteile regelmäßig ausgetauscht, sodass eine Faszie nach spätestens einem halben Jahr komplett erneuert wurde.


Welche Funktionen erfüllen Faszien im Körper?


1. Formen: Sie umhüllen alle Organe und körperlichen Strukturen, schützen diese so und halten sie wie ein flexibles Korsett in ihrer Form.


2. Bewegen: Grundsätzlich werden Bewegungen durch Sehnen, die den Muskel mit dem Knochen verbinden, ermöglicht. Die direkten Muskelfaszien, um die Muskeln und Muskelfasern herum, sind ebenfalls an dieser Kraftübertragung beteiligt und somit wichtig für Bewegungen.


3. Versorgen: Faszien sind am Flüssigkeitstransport beteiligt und dienen als eine Art Wasserspeicher im Körper. Aber auch Nähr- und Abfallstoffe werden über die Faszien transportiert und ausgetauscht.


4. Kommunizieren: Ein wesentlicher Teil der Rezeptoren befindet sich in den Faszien. Diese sind wichtig für unsere Wahrnehmung, Körpergefühl oder Orientierung. In einer ununterbrochenen Kommunikation mit dem Nervensystem kann der Körper so schnell auf aktuelle Bewegungsanforderungen reagieren.


Warum können Faszien Schmerzen verursachen?

Gesunde Faszien sind straff, aber gut verschiebbar und beweglich. Dabei sind die Kollagenfasern nach einem bestimmten Muster angeordnet.

Ein Mangel an Bewegungen führt dazu, dass Faszien untereinander Cross-Links ausbilden. Das sind wahllose Querverbindungen innerhalb der Faszien, die das geschmeidige Auseinandergleiten der Muskelfasern verhindern. Die Faszien verfilzen so.

Auch Überbelastung oder Überforderung führen zu Problemen mit den Faszien. Durch zu viele Mikroverletzungen im Muskel- und Fasziengewebe entstehen kleine Entzündungsherde, die zu einer Dehydration und einem Verkleben der Faszien führen. Die Faszien werden weniger widerstandsfähig, beweglicher und verletzungsanfälliger, was zu Schmerzen führen kann.


Welche Trainingsziele können durch Faszientraining erreicht werden?

Faszien sind plastisch und können sich allen Anforderungen anpassen. So können Verklebungen und Verfilzungen durch geeignetes Training aufgehalten oder wieder rückgängig gemacht werden.

Richtig gesetzte, zeitlich abgestimmte Reize führen zu gestärkten Faszien mit optimaler Beschaffenheit (straff, aber sehr gut verschiebbar für maximale Dehnfähigkeit ohne Einrisse).


Typische Trainingsziele sind:

  • Schmerzlinderung: Das gezielte Faszientraining löst die Verklebungen und regt die Hydration an, was zu geschmeidigeren, beweglichen Faszien mit einer höheren Gleitfähigkeit führt.

  • Leistungssteigerung: Durch eine (zumindest kurzfristige) erhöhte Beweglichkeit, kann Faszientraining vor dem Training zu besseren Leistungen führen. Die Studienlage ist hier allerdings noch nicht eindeutig.

  • Verbesserung der propriozeptiven Wahrnehmung: In den Faszien befinden sich eine Vielzahl an Rezeptoren. Eine gute propriozeptive Wahrnehmung hilft uns z. B. besser das Gleichgewicht zu halten.

  • Beschleunigung der Regeneration nach dem Training: Durch eine erhöhte lokale Durchblutung können Regenerationsprozesse schneller ablaufen.

Welche Techniken gibt es?


1. Myofascial Release: Hier werden lokale Veränderungen in den Faszien, welche Schmerzen oder Bewegungsstörungen verursachen können, z. B. Verknotungen („Triggerpunkte”) gelöst, um die Schmerzen zu beseitigen.


Durchführung:

  • Aktiv durch self myofascial Release (SMR), d. h. das selbstständige Ausrollen mithilfe von Hartschaumrollen, -bällen oder Stäben. Das sogenannte Ausrollen ist die meist verbreitetste Form des Faszientrainings.

  • Passiv durch bestimmte Massagegrifftechniken, die speziell auf das Tiefengewebe wirken.

2. Faszienstretching: Die Förderung der Beweglichkeit und Flexibilität durch gezielte Stretching-Methoden.


Durchführung:

  • Ähnlich dem klassischen statischen Stretching wird hierbei in einer Stretching-Endposition kurz verharrt. Nach dem Lösen der ersten Position wird eine Position in einem leicht anderen Bewegungswinkel eingenommen. Die Endpositionen sind immer in leicht verschiedenen Zugrichtungen, um das Schergitter der Faszien in allen Bewegungsrichtungen zu dehnen.

3. Rebound-Elasticity: Ein gut funktionierendes Fasziensystem kann Energie speichern und katapultartig wieder freisetzen sowie Halteaufgaben bewerkstelligen, was die Muskeln entlastet und Energie spart, was hierbei trainiert wird.


Durchführung:

  • Als Beispiel für Rebound-Elasticity wird gerne das Känguru genutzt. Wichtig bei der Durchführung sind elastische, federnde Bewegungen, wie z.B. beim dynamischen Dehnen oder Seilspringen.

Generell gilt, dass regelmäßiges Bewegen das Bindegewebe, bzw. die Faszien stimuliert. Auch eine Kombination der oben genannten Methoden ist sinnvoll, wie z. B. die Verbindung von einem Faszientraining mit der Hartschaumrolle und einem funktionellen Krafttraining.

Wann und wie oft sollte das Faszientraining durchgeführt werden?

Faszientraining kann zu jedem Zeitpunkt durchgeführt werden und ist abhängig vom jeweiligen Ziel (s. o. Trainingsziele). So kann das Ausrollen vor dem eigentlichen Training die Beweglichkeit erhöhen oder nach dem Training die Regeneration beschleunigen. Auch nach einem stressigen Tag kann z. B. das Ausrollen des Nackens die Entspannung fördern.


Tipp: Das Ausrollen sollte langsam durchgeführt werden und an Verhärtungen, die evtl. Schmerz verursachen, kann kurz verharrt werden, um diese besser zu lösen.


Hinweis: Federnde Bewegungen und statische Dehnpositionen sollten erst nach dem Aufwärmen durchgeführt werden, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren.


Bereits zwei bis drei Mal pro Woche für 15 Minuten Training sind ausreichend, um die Faszien geschmeidig zu halten.


Gibt es Risiken?

Faszientraining mit der Hartschaumrolle ist nicht bedingungslos zu empfehlen, sondern kann auch Nachteile mit sich bringen. So liegen wir z. B. mit bis zu 32 Prozent des Körpergewichts auf der Rolle, was eine hohe mechanische Belastungen auf die Körperstrukturen mit sich bringt. Es entstehen hohe Druck- und Scherkräfte und das nicht nur auf die Faszien, sondern das gesamte Gewebe unter der Rolle, wie Haut, Muskulatur, Knochen oder Gefäße. Es könnte daher durch die Kompression der Nerven, die Unterbrechung des venösen Rückflusses oder eine gesteigerte lokale arterielle Durchblutung zu nachteiligen Effekten kommen, was jedoch wissenschaftlich noch nicht bestätigt ist.


Tipps für gesunde Faszien

  • Bewegung: Faszien wollten regelmäßig bewegt, gedehnt, gedrückt oder geknetet werden und das auf möglichst vielfältige Art und Weise.

    • Bei der Bewegung auf geschmeidige und federnde Abläufe achten und ruckartige Bewegungen vermeiden.

    • Beinhaltet das eigentliche Training bereits vielfältige Bewegungen und / oder federnde Elemente, ist ein spezielles Faszientraining ggf. nicht notwendig.

  • „Wohlschmerz": Faszientraining mit der Rolle kann v. a. anfangs zu Schmerzen führen. Dieser sollte allerdings auf einer Skala von 1-10 nicht 7-8 übersteigen.

  • Ausreichend trinken: Faszien bestehen zu 70 bis 80 Prozent aus Wasser und benötigen genügend Flüssigkeit.

  • Stressabbau: Auch Stress kann sich negativ auf die Faszien sowie deren Funktion auswirken und für Verhärtungen oder Verklebungen sorgen.


Literatur

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Bildquelle: www.unsplash.com

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